Bandol Vins & Comestibles

Wie Brando die Bunans nach Bandol brachte

Wie Brando die Bunans nach Bandol brachte

Die Weingüter der Familie Bunan gehören heute zu den
prestigeträchtigsten der Region. Ihre Gründungsgeschichte ist aber geprägt von unwahrscheinlichen Zufällen.

Wohl wenige Menschen sind so tief mit einem bestimmten Flecken Erde verbunden wie die Winzer dieser Welt. Aber wem das Weingut nicht gerade in die Wiege gelegt wurde, der muss manchmal ziemlich weit danach suchen. Die Geschichte der Domaines Bunan, zum Beispiel, beginnt etwa 990 Kilometer südlich von Bandol, in der algerischen Küstenstadt Oran.

Ein Star in der Provence

Wir schreiben das Jahr 1954 und Paul Bunan, junge 19 Jahre alt, lebt mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in der Kolonialstadt Oran, damals noch unter französischer Herrschaft. Wie viele andere in der Region bauen die Bunans unter der algerischen Sonne die Rotweinsorte Alicante an, mischen andere Sorten dazu und verkaufen den starken, einfachen Massenwein dann günstig nach Frankreich. Paul und der jüngere Bruder Pierre helfen schon seit Jahren mit dem Weinbau, weil ihr Vater jung verstorben ist.

An einem warmen Herbsttag, es muss ein Tag im Oktober gewesen sein, blättert Paul gerade in einer Zeitschrift, als seine Augen an einem Bild haften bleiben: Es ist sein Idol, der damals noch ganz junge Hollywood-Star Marlon Brando, von den Paparazzi eingefangen bei einem Spaziergang mit einer jungen Frau. Brando lächelt zufrieden in die Kamera, in hellen Hosen und einem Matrosenpulli – seine Begleitung trägt den Partnerlook. Im Hintergrund ist das sonnige Hafenstädtchen mit den Palmen zwar nur knapp zu erahnen, aber die Bildlegende gibt Aufschluss: Brando ist in Bandol.

 

Bandol, Oktober 1954: Josanne Mariani und Marlon Brando sind frisch verlobt.

 

Liebe auf den ersten Blick

Paul Bunan hat noch nie von Bandol gehört, aber Brando ist Brando – und so wird der Zeitungsausschnitt mit dem jungen Paar in Schwarzweiss sorgfältig aufbewahrt wie ein wertvolles Dokument. Er hat ihn auch sieben Jahre später noch, als der Algerienkrieg 1961 das Land in Schrecken versetzt und jeden Monat Zehntausende europäischstämmige Menschen aus dem Land treibt. Als sich auch die Bunans auf die Suche nach einem neuen Zuhause machen, hat das Schicksal möglicherweise seine Finger mit im Spiel.

Die Familie findet ein passendes Grundstück in La Cadière d’Azur. Die Appellation? Bandol. Paul erkennt den Namen sofort und findet: Was für Brando gut genug war, ist auch für uns gut genug. Die Bunans steigen in ein Flugzeug und verlieben sich, wie so viele vor ihnen, in die sonnenverwöhnte Landschaft mit den sanften Hügeln, den alten Olivenhainen und den Mandel- und Aprikosenbäumen. Das Moulin des Costes mit seinem unvergleichlichen Panoramablick wird das erste Terroir der Brüder. 1969 erwirbt Pierre in Castellet ein zweites Stück Land mit alten Mourvèdre-Reben, das Château la Rouvière. Die Domaines Bunan tragen jetzt ein Plural-S – und der Rest ist Geschichte.

 

Das Weingut der Bunans: In diese Landschaft haben sich die Paul und Pierre gleich verliebt.

 

Ein Wein kommt um die Welt

Pauls Sohn Laurent lacht, wenn er auf die Gründungsgeschichte zu sprechen kommt. Er muss sie schon tausend Mal erzählt haben. Heute gehören die Weingüter der Familie zu den bekanntesten der Region. Die Bunans bewirtschaften neben den Gebieten in Bandol auch den Weinberg Bélouvé in der AOC Côtes de Provence und Château Margillière in der AOC Coteaux Varois. Aber die Weine des ersten Terroirs in Bandol sind und bleiben ihr Aushängeschild. Und was sich ebenfalls bewährt hat: Der Weinbau ist hier Familiensache.

Laurent ist erst sechs Jahre alt, als er seinen ersten Wein verarbeitet. Nach dem Abschluss in Önologie zieht es ihn ins sonnige Napa Valley nach Kalifornien. In den Vereinigten Staaten will er usprünglich nur sein Englisch perfektionieren, erkennt aber bald das Potenzial von Weinexport und verbringt die nächsten dreissig Jahre damit, die Weine der Familie in der Welt bekannt zu machen. Vier bis fünf Monate im Jahr ist er dabei auf Reisen und schafft es so, die Weine in Russland, Thailand, China, Australien, Kanada und den USA auf den Markt zu bringen.

 

Die Bunans: Pierre (rechts) und Paul (3. v. r.) und die nächste Generation mit Laurent, Claire, Françoise, und Philippe (v.l.n.r.). 

 

Vier Generationen Winzer

Laurent ist der erste, der ins Familienunternehmen steigt. Seine Schwester Françoise, die Künstlerische, übernimmt bald den Shop, die Events und alles Kreative. Es ist sie, die Marlon Brandos Begleitung aus dem Zeitungsausschnitt in Bandol ausfindig macht. Aus dem Treffen entwickelt sich eine Freundschaft, die bis heute anhält: Josanne Mariani, der Brando damals nach einer sehr kurzen Verlobung in Hollywood das Herz brach, ist heute 85 Jahre alt und regelmässig Gast bei den Bunans.

Laurent und Françoise teilen sich die Aufgaben mit ihren Cousins: Pierres Sohn Philippe ist zuständig für die Weinproduktion; seine Schwester Claire macht das Marketing. Es ist bereits die dritte Generation Bunans, deren Leben sich um Wein dreht, aber nicht die letzte. Laurents Tochter hat den Shop der Bunans redesignt, sein 25-jähriger Sohn organisiert bereits Events. Und die Gründer Paul und Pierre? Sie sind inzwischen Grossväter, über 80 Jahre alt – und trotzdem jeden Tag in den Weinbergen zu finden.

Von seiner Rolle in der Gründung eines der traditionsreichsten Weingüter in der AOC Bandol hat Marlon Brando wohl nie etwas erfahren. Im Weinkeller der Bunans aber, wo jedes Eichenfass den Namen eines Familienmitglieds trägt, erinnert noch heute ein «Marlon» an die unwahrscheinlicheren Wendungen des Schicksals.

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